Was ist ein Thermofenster im Dieselskandal?
Der Dieselskandal, der weltweit für Schlagzeilen sorgte, dreht sich hauptsächlich um die Manipulation von Abgaswerten in Dieselfahrzeugen. Eine der fragwürdigen Praktiken, die dabei ans Licht kamen, ist das sogenannte „Thermofenster„. Dieses Thema wirft ein Licht auf die Techniken, die Autohersteller verwendeten, um die offiziellen Abgastests zu bestehen, während ihre Fahrzeuge im realen Fahrbetrieb weitaus höhere Emissionen produzierten.
Grundlagen des Thermofensters
Ein Thermofenster ist eine Motorsteuerungsstrategie, die Abgasreinigungsmaßnahmen bei bestimmten Bedingungen, wie Temperatur und Geschwindigkeit, reduziert oder deaktiviert. Der Zweck dieses Ansatzes ist es, den Motor vor Schäden oder schlechter Leistung zu schützen. Die Idee dahinter ist verständlich: Bei niedrigen Temperaturen kann Wasser kondensieren und Ruß im Abgasrückführungssystem (AGR) Ablagerungen verursachen, die zu Störungen führen können. Daher wird die Abgasreinigung in solchen Situationen heruntergefahren.
Die Problematik entsteht jedoch, wenn diese Technik von Autoherstellern verwendet wird, um die offiziellen Abgastests zu bestehen, während die Fahrzeuge im Alltagsbetrieb außerhalb dieser Temperaturfenster mit höheren Emissionen unterwegs sind. Besonders Stickoxide (NOx) sind betroffen, da die Abgasreinigung oft nur bei bestimmten Temperaturen effizient arbeitet.
Die Rolle von Thermofenstern im Dieselskandal
Autohersteller nutzten Thermofenster aus, um bei den Abgastests niedrigere Emissionen vorzutäuschen, während sie im realen Fahrbetrieb höhere Emissionen erzeugten. Diese Manipulation führte zu einer Verletzung von Umweltauflagen und einer Täuschung der Verbraucher. Die Fahrzeuge wurden so konfiguriert, dass sie während der offiziellen Prüfungen in einem „sauberen“ Modus liefen, der nur bei bestimmten Temperaturen aktiviert wurde. Die meiste Zeit des Jahres lagen die tatsächlichen Fahrbetriebsbedingungen jedoch außerhalb dieses Fensters.
Technische Aspekte
Die Funktionsweise von Thermofenstern in Dieselfahrzeugen ist technisch komplex. Abgasreinigungsmaßnahmen wie die Abgasrückführung und die Verwendung von AdBlue werden je nach Temperatur gesteuert. Während der Testsituationen arbeiten diese Systeme mit maximaler Effizienz, jedoch außerhalb der vorgegebenen Temperaturbereiche treten sie in den sogenannten „dreckigen“ Modus über. Dieses gezielte Schalten der Abgasreinigungssysteme dient dazu, die Emissionen in den Prüfungen zu minimieren und gleichzeitig die Leistung des Fahrzeugs im Alltagsbetrieb aufrechtzuerhalten.
Rechtsfolgen und Urteile
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Thermofenster als illegale Abschalteinrichtungen betrachtet werden können. Nach einem Urteil des EuGH ist die Verwendung von Thermofenstern, die die Wirksamkeit von Emissionsschutzsystemen reduzieren, unzulässig, selbst wenn dies dem Motorschutz dient. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Autohersteller, die diese Technik verwendet haben. Gerichtsverfahren, Bußgelder und Schadensersatzforderungen gegenüber den Herstellern sind die Folge.
Nach nahezu acht Jahren seit dem Beginn des Diesel-Abgasskandals hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine bemerkenswerte und verbraucherfreundliche Kehrtwende vollzogen. Am 26. Juni 2023 veröffentlichte der BGH ein wegweisendes Urteil, das eine bedeutende Entwicklung im Schadensersatzrecht markiert – den sogenannten Differenzschaden. Diese neue Regelung betrifft Verbraucher, deren Dieselmotoren durch Mechanismen wie das berüchtigte „Thermofenster“ illegal beeinflusst wurden. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am 21. März 2023 (Az.: C-100/21) erzwang einen Richtungswechsel beim BGH und führte zu dieser bemerkenswerten Änderung. Der EuGH erklärte die Manipulation der Abgaswerte durch das Thermofenster als unrechtmäßig, obwohl diese Praxis in der Automobilindustrie als Standard galt.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den der EuGH im Zuge des Abgasskandals klargestellt hat, betrifft die Ansprüche von Verbrauchern auf Schadensersatz. Demnach haben Verbraucher bereits dann Ansprüche auf Schadensersatz, wenn die Hersteller von Dieselmotoren fahrlässig gehandelt haben – ein deutlicher Schritt weg von der bisherigen Notwendigkeit, Vorsatz und Sittenwidrigkeit nachweisen zu müssen, wie es der BGH ursprünglich forderte. Diese Rechtsprechungsänderung wurde vom BGH übernommen und signalisiert eine klare Anpassung an die neuen rechtlichen Gegebenheiten.
Verbraucherschutz und Entschädigung
Verbraucher, die von diesem Skandal betroffen sind, haben möglicherweise Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung. Besitzer von Fahrzeugen mit Thermofenstern können rechtliche Schritte unternehmen, um ihre Rechte durchzusetzen. Rückrufe, Stilllegungen und mögliche Wertverluste der Fahrzeuge sind potenzielle Konsequenzen für die Hersteller. Es wird empfohlen, sich rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um die besten Handlungsoptionen zu ermitteln.
Fazit und Schlussfolgerung
Der Einsatz von Thermofenstern im Dieselskandal verdeutlicht die ethischen und rechtlichen Herausforderungen in der Automobilindustrie. Die Manipulation von Abgastests und die Verwendung von illegalen Abschalteinrichtungen haben nicht nur das Vertrauen der Verbraucher erschüttert, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt gehabt. Die rechtlichen Entwicklungen und Gerichtsurteile zeigen, dass die Behörden und die Justiz entschlossen sind, gegen solche Praktiken vorzugehen und den Verbraucherschutz zu stärken. Besitzer von Fahrzeugen mit Thermofenstern sollten sich über ihre rechtlichen Möglichkeiten informieren, um ihre Interessen zu wahren und möglicherweise Schadensersatz oder Entschädigung zu erhalten.