Fallkonstellationen bei Kündigung wegen Krankheit?

Die krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers ist ein sensibles Thema im Arbeitsrecht, das sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer mit vielen Fragen und Unsicherheiten verbunden ist. Um eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam durchzuführen, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, und die individuellen Umstände des Falls spielen eine entscheidende Rolle.
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Fallkonstellationen bei Kündigung wegen Krankheit
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Die krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers ist ein heikles und komplexes Thema im Arbeitsrecht. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte unterscheidet dabei vier typische Fallkonstellationen, bei denen die oben genannten drei Voraussetzungen jeweils etwas anders geprüft werden müssen:

1. Fallkonstellation – Häufige Kurzerkrankungen

In dieser Situation ist der Arbeitnehmer wiederholt für kürzere Zeiträume, etwa einige Tage oder Wochen, arbeitsunfähig krank, sodass die Fehlzeiten ein Maß erreichen, das der Arbeitgeber nicht länger tolerieren kann.

2. Fallkonstellation – Dauernde Arbeitsunfähigkeit

Bei Ausspruch der Kündigung steht fest, dass der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig krank bleiben wird, ohne Aussicht auf Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.

3. Fallkonstellation – Langandauernde Krankheit

In diesem Fall ist die Genesung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Kündigung zwar nicht ausgeschlossen, aber der Arbeitgeber weiß aufgrund einer bereits längeren andauernden Krankheit nicht, ob und wann mit einer Genesung zu rechnen ist.

4. Fallkonstellation – Krankheitsbedingte Leistungsminde rung

Die Krankheit des Arbeitnehmers führt dazu, dass er selbst dann, wenn er zur Arbeit erscheint, erheblich hinter der zu erwartenden Leistung zurückbleibt.

Nun wollen wir genauer betrachten, unter welchen Bedingungen eine Kündigung aufgrund häufiger Kurzerkrankungen (1. Fallkonstellation) zulässig ist:

Negative Gesundheitsprognose

Es muss aufgrund häufiger Kurzerkrankungen in der Vergangenheit damit zu rechnen sein, dass weitere häufige Kurzerkrankungen in der Zukunft auftreten werden. Der Arbeitgeber steht hier vor dem Problem, dass er die Ursachen der Kurzerkrankungen normalerweise nicht kennt, da ihm nur die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorliegen, die keine Diagnose enthalten. Daher darf der Arbeitgeber seine Prognose wie folgt anstellen:

  • Wenn ein Arbeitnehmer in einem Beobachtungszeitraum von mindestens 24 Monaten vor Ausspruch der Kündigung durchschnittlich länger als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig krank war, wird er voraussichtlich auch weiterhin oft krank sein.
  • Arbeitgeber, die sich auf einen Beobachtungszeitraum von 36 Monaten vor Ausspruch der Kündigung stützen, sind rechtlich auf der sicheren Seite. Ein so langer Zeitraum wird vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zumindest für außerordentliche Krankheitskündigungen wegen häufiger Kurzerkrankungen gefordert. Ob das BAG einen 36-Monats-Zeitraum auch bei ordentlichen Kündigungen wegen Kurzerkrankungen als angemessen ansieht, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.

Will der Arbeitnehmer eine solche negative Prognose im Kündigungsschutzprozess widerlegen, muss er seine behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden und nachweisen, dass seine häufigen Kurzerkrankungen auf unabhängige Krankheiten oder Krankheitsursachen zurückzuführen sind, die zum Kündigungszeitpunkt bereits geheilt waren. Dabei sollte der Arbeitnehmer ausdrücklich vortragen, dass die behandelnden Ärzte seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt haben, da allein die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht nicht ausreicht, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2014 feststellte.

Normalerweise argumentieren Arbeitnehmer in diesem Stadium des Prozesses oft so: In den letzten Jahren gab es zwar einige Erkrankungen pro Jahr, wie etwa eine Grippe, eine Bänderverletzung, eine depressive Verstimmung aufgrund eines Trauerfalls, eine Blinddarmentzündung usw. Diese Krankheiten beruhen nicht auf einer einheitlichen Grunderkrankung und sind geheilt. Die letzten sechs Monate (während derer der Arbeitgeber gekündigt hat) war ich nicht krank. In den nächsten Jahren werde ich auch nicht häufiger krank sein als in der Vergangenheit. Ein ärztliches Attest, das diese Aussage bestätigt, ist zu empfehlen.

Interessenabwägung

Selbst wenn eine negative Gesundheitsprognose besteht, ist die Kündigung nur gerechtfertigt, wenn die Interessen des Arbeitgebers diejenigen des Arbeitnehmers überwiegen. Dabei ist auf folgende Umstände abzustellen:

  • Betriebsablauf: Ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner Krankheit und der zu erwartenden weiteren Kurzerkrankungen im Betrieb des Arbeitgebers unersetzlich? Oder gibt es Kollegen, die seine Aufgaben problemlos übernehmen können?
  • Betriebsgröße: In einem kleinen Betrieb wie einer Einzelhandelsfiliale kann die Häufigkeit von Kurzerkrankungen schneller zur Unzumutbarkeit führen als in einem Großbetrieb mit mehreren tausend Arbeitnehmern.
  • Vertretung: Ist eine Vertretung des erkrankten Arbeitnehmers organisatorisch möglich und wirtschaftlich zumutbar?
  • Arbeitsverhältnis: Wie lange besteht das Arbeitsverhältnis schon? Hat der Arbeitnehmer besondere Verdienste erworben, die eine Kündigung unverhältnismäßig erscheinen lassen?
  • Persönliche Umstände: Gibt es besondere persönliche Umstände des Arbeitnehmers, etwa eine Schwerbehinderung, die die Kündigung unzumutbar erscheinen lassen?
  • Krankheitsursache: In welchem Maße kann der Arbeitnehmer die Gründe für seine häufigen Kurzerkrankungen beeinflussen? Gibt es Anzeichen dafür, dass er sich nicht ausreichend um seine Gesundheit bemüht?
  • Betriebszugehörigkeit: Hat der Arbeitgeber in den letzten Jahren krankheitsbedingte Kündigungen ausgesprochen, insbesondere aufgrund häufiger Kurzerkrankungen? Falls ja, muss er begründen, warum er damals anders entschieden hat.

Grundsätzlich gilt, dass je länger das Arbeitsverhältnis besteht und je besser der Arbeitnehmer in den Betrieb des Arbeitgebers integriert ist, desto schwerwiegender müssen die Interessen des Arbeitgebers sein, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Andererseits wird die Kündigung eher gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer erst kurz im Betrieb ist, seine Arbeitsleistung noch nicht erbracht hat oder leicht zu ersetzen ist.

Fazit

Die krankheitsbedingte Kündigung eines Mitarbeiters ist ein komplexes Thema im Arbeitsrecht, das eine sorgfältige rechtliche Prüfung erfordert. Die vier Fallkonstellationen zeigen auf, dass eine Kündigung aufgrund von Krankheit nicht automatisch gerechtfertigt ist, sondern von verschiedenen Faktoren abhängt, darunter die Gesundheitsprognose des Arbeitnehmers und die Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass sie hohe Anforderungen erfüllen müssen, um eine krankheitsbedingte Kündigung durchzusetzen. Arbeitnehmer, auf der anderen Seite, sollten sich ihrer Rechte und Möglichkeiten zur Verteidigung bewusst sein und gegebenenfalls rechtlichen Rat in Anspruch nehmen.

Letztendlich ist die rechtliche Beurteilung jeder krankheitsbedingten Kündigung von den individuellen Umständen des Falls abhängig. Es ist ratsam, frühzeitig professionellen Rechtsbeistand hinzuzuziehen, um die eigenen Interessen zu schützen und eine fundierte Entscheidung zu treffen. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten können komplex sein, aber mit dem richtigen Wissen und der richtigen Unterstützung können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Rechte und Pflichten klar verstehen und sich angemessen darauf vorbereiten.

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